„Wir haben verstanden: Wir übernehmen Verantwortung.“ So oder ähnlich kommunizieren Unternehmen seit einer Reihe von Jahren in die Öffentlichkeit, um ihr gesellschaftliches Engagement anzuzeigen. Widerspricht dies aber nicht unserer Alltagserfahrung, wenn es sich um negative Ereignisse handelt? Wer kennt denn die Fälle, in denen nach negativen Ereignissen soziale Akteure (Individuen oder Organisationen) unverzüglich die Verantwortung für diese negativen Ereignisse übernehmen? Wahrscheinlich werden die meisten sich daran erinnern, dass wenn dies vorkommt, dies das Ende eines Prozesses ist, der sich über Wochen und Monate hinziehen kann und während dessen Ablauf soziale Akteure mit verschiedenen Taktiken versuchen nicht verantwortlich zu sein, mithin Verantwortung abzulehnen oder Umstände anzuführen, die sie als weniger verantwortlich aussehen lassen. Daher ist eine gewisse Skepsis angebracht, wenn Aussagen, wie die eingangs zitierte, vernommen werden. Denn sind sie verantwortlich, haben sie mit negativen Sanktionen zu rechnen.
In einer Reihe von Projekten widmen wir uns der Frage, wie Unternehmen auf negative Ereignisse reagieren. Rechenschaft ist hierfür ein zentrales Konzept.
Wer für etwas verantwortlich gemacht wird, von dem kann verlangt werden, dass er Rechenschaft ablegt. Mithin hat der Akteur sich zum negativen Ereignis zu äußern und insbesondere, ob er durch sein Handeln das negative Ereignis herbeigeführt oder zum negativen Ereignis beigetragen hat. In dieser Episode werden Akteure versuchen, die Zuschreibung der Verantwortung durch den Anderen zu beeinflussen, und zwar möglichst so, dass keine Verantwortung zugeschrieben wird und damit auch keine Sanktionen verhängt werden. Ihre Rechenschaft wird sich daher auf die Zuschreibung richten und versuchen, sie in ihrem Sinne zu beeinflussen.
In mehreren Veröffentlichungen verwenden wir dieses Konzept, um zu ermitteln, wie sich die Verwendung der verschiedenen Typen von Rechenschaft auf das Vertrauen auswirken. In Brühl, Basel und Kury (2016) zeigen wir an einer Einzelfallstudie (Antenna-Gate von Apple), welche Taktiken Steve Jobs in einer Pressekonferenz verwendet und spekulieren über die Vertrauenswirkung. Brühl, Basel und Kury (2017) zeigen in einer experimentellen Studie, warum Entschuldigungen besser als Ausrede und Ablehnung für den Vertrauensaufbau nach einer Vertrauensverletzung geeignet sind.
Forschungspartner: Dr. Jörn Basel, Dr. Max Kury
Veröffentlichungen
Brühl, Rolf, Kury, Max: Rhetorical tactics to influence responsibility judgments: account giving in banks presidents’ letters during the financial market crisis, in: International Journal of Business Communication, 56(3), 2019, S. 299-325 (zum Artikel).
Brühl, Rolf, Basel, Jörn S. und Kury, Max: Communication after an integrity-based trust violation: How organizational account giving affects trust, in: European Management Journal, 36(2), 2018, S. 161 - 170 (zum Artikel).
Brühl, Rolf, Basel, Jörn S., Kury, Max: Vertrauensbildung durch Kommunikation – die Rolle von Verantwortung und Rechenschaft, in: Vertrauensbasierte Führung. Devise und Forschung, hrsg. v. F. Keuper und T. Sommerlatte, Wiesbaden: Gabler, 2016, S. 179-196 (zum Artikel).
Brühl, Rolf, Kury, Max: Rechenschaft und Vertrauen, in: Jahrbuch für Controlling und Rechnungswesen 2014, hrsg. v. Gerhard Seicht, LexisNexis: Wien, S. 217-239. (Hier herunterladen)
Weitere Aktivitäten
Unser Forschungsprojekt ist Teil des Forschungszentrums Nachhaltigkeit der ESCP Europe (Research Center on Sustainability at ESCP Europe), die sich den Fragen von Nachhaltigkeit und gesellschaftlicher Verantwortung von Unternehmen widmet.
Article on the influence of culture on management control systems is published / Aufsatz zum Einfluss von Kultur auf Controlling-Systeme erschienen (more information click here / mehr Informationen hier klicken)
Lehrbuch zur Wissenschaftstheorie und -ethik im UTB / UVK Verlag erschienen (mehr Informationen hier klicken)